Berichte aus den Betrieben

Halb zehn in Sebnitz: „Wo ist die Belegschaft?“

18.01.2018 | Morgens um halb zehn in Sebnitz, Sachsen. Für die meisten Erwerbstätigen ist es Zeit, um am Arbeitsplatz zu sein. Doch ein Großteil der Hallen und Anlagen bei Bosch Power Tools ist verwaist. „Wo ist die Belegschaft?“, könnte sich die Standortleitung fragen.

Trotz eisiger Kälte und Graupelschauer stehen die Kollegen von Bosch am vergangenen Dienstag in Sebnitz zahlreich vorm Werktor. Die Versuche der Werksleitung, durch Einsammeln der Aufrufe den Warnstreik zu torpedieren, bleiben erfolglos. Als ich einen Kollegen in kurzen Hosen auf seine Kleidung anspreche, lächelt dieser nur und sagt: „Wir haben doch fast Frühling“. Ob er damit die hoffentlich tauende Gesprächsbeziehungen zwischen IG Metall und Arbeitgeberseite meint, weiß ich nicht.

In der Woche zuvor bietet sich ein ähnliches Bild.

Gut 150 Kolleginnen und Kollegen stehen mit Pfeifen, Fahnen und Tröten in der Hand vor dem Werktor. Viele von ihnen tragen Warnstreikwesten. Die Auszubildenden haben selbstgebastelte Schilder und einen Wecker in der Hand. Punkt zehn Uhr lautes Klingeln. Die Wecker sollen darauf aufmerksam machen, dass es Zeit ist: Zeit für mehr Geld, Zeit für flexiblere Arbeitszeitmodelle, Zeit für mehr Lebenszeit.

Die IG Metall Ostsachsen hat zum Warnstreik aufgerufen, um den Druck auf die Arbeitgeberseite zu erhöhen. Die Gewerkschaft fordert in der laufenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie 6 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten und Wahloptionen für moderne Arbeitszeitmodelle. Darüber hinaus strebt die IG Metall eine Verhandlungsverpflichtung über die Angleichung der Arbeitszeiten in Ost und West an.

Die Arbeitgeberseite bietet zwei Prozent mehr Lohn im April zudem eine Einmalzahlung von 200 Euro für die Monate Januar bis März. „Das ist nicht in Ordnung. Es muss sich endlich etwas ändern, immer ist der Arbeitnehmer der dumme“, sagt eine Beschäftigte von Bosch Power Tools. Die Kolleginnen und Kollegen sind augenscheinlich enttäuscht und wütend. „Das Angebot der Arbeitgeber ist haarsträubend, unter aller Kanone“, wirft Heiko Seibel ein, der ebenfalls bei Bosch arbeitet.

Die Betriebsratsvorsitzende Ruth Wauer ist stolz auf ihre Kolleginnen und Kollegen: „Ich freue mich und bin zugleich stolz. Ich bin stolz, dass ihr trotz des Wetters und der Versuche der Werksleitung die Aktion zu torpedieren, hier steht. Ich appelliere an unsere Kampfstärke und danke euch für euren Mut, denn dieser Mut ist wichtig für unsere gesamte Region. “

Von: em

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