IG Metall-Aktionstag

12.000 Industriebeschäftigte schicken Weckruf an die Politik

15.03.2025 | Sie waren laut, sie waren viele, sie waren entschlossen. Rund 12.000 Metallerinnen und Metaller, unter ihnen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus der Geschäftsstelle Ostsachsen, verwandelten den Augustusplatz in Leipzig am 15. März in ein rotes Fahnenmeer, um ein sichtbares Zeichen für ihre Arbeitsplätze und den Industriestandort Deutschland zu setzen.

12.000 Beschäftigte machten in Leipzig Druck für die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Foto: Christian von Polentz

Unter ihnen auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus der Geschäftsstelle Ostsachsen – von Accumotive, Birkenstock ...

... oder Linde + Wiemann. Fotos (2): Kathryn Kortmann

Ralf Reinstädtler, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, hielt die Hauptrede in Leipzig. Foto: Christian von Polentz

Tina Wählt, Betriebsratsvorsitzende von Birkenstock in Bernstadt und Mitglied im Ortsvorstand der IG Metall Ostsachsen, weiß genau, warum sie an diesem Samstag früh aufgestanden ist und mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Bus nach Leipzig gereist ist. Sie sorgt sich um den Industriestandort Deutschland, um die Arbeitsplätze in der Region Ostsachsen. „Wir erleben gerade, dass Arbeitsplätze abgebaut und Standorte verlagert werden. Momentan trifft es besonders die Autoindustrie und deren Zulieferer. Wenn das so weitergeht, ist das nur eine Frage der Zeit, wann andere Branchen dran sind“, sagt Tina Wählt, „das kann jeden treffen.“ Mit ihrer Teilnahme am Aktionstag will sie wie all die anderen Metallerinnen und Metaller in Leipzig, aber auch in Köln, Stuttgart, Hannover und Frankfurt einen Weckruf an die Politik und Unternehmen schicken. „Wir schicken ein deutliches Zeichen an die künftig Regierenden. Wir lassen es nicht zu, dass unsere Interessen unter die Räder kommen.“

Mit ihren Sorgen ist Tina Wählt nicht allein. Vielen Kolleginnen und Kollegen geht es ähnlich. „Die wirtschaftliche Situation wird immer schwieriger“, sagt Stefan Gersdorf, Vertrauensmann bei Accumotive in Kamenz. „Wir waren mal deutlich mehr Beschäftigte am Standort, jetzt sind wir nur noch knapp über 1000. Frei werdende Stellen werden nicht mehr besetzt. Wo soll das hinführen?“

Rico Fiedler ist Betriebsrat bei Accumotive in Kamenz. Er „fühlt sich von der Politik im Stich gelassen“. Die muss Rahmenbedingungen schaffen, um die Industrie in Deutschland und auch in der Region Ostsachsen zu halten. „Diese Ungewissheit, wie es hier weitergeht, muss endlich ein Ende haben. Wir brauchen Investitionen in die Infrastruktur und offensive Unternehmensstrategien, die Innovation und Wachstum bringen, und Arbeitsplätze erhalten und schaffen statt sie zu abzubauen oder in andere Länder zu verlagern.“

81.000 Demonstrierende in fünf Städten
Die Veranstaltung in fünf Städten war die größte öffentliche Aktion der IG Metall seit Jahrzehnten. Symbolträchtig um 5 vor 12 ging es bundesweit los. Mehr als 81.000 Metallerinnen und Metaller forderten beim IG Metall-Aktionstag in Leipzig und in den vier anderen Städten die nächste Bundesregierung auf, das Ruder schnell herumzureißen, Geld in die Hand zu nehmen und die Bedingungen für die Industrie zu verbessern.

In Leipzig warnte Ralf Reinstädtler vor einer politischen Hängepartie in Berlin: „Deutschland muss kernsaniert werden. Die Hütte brennt, wir wollen Taten sehen.“

Intelligente Lösungen statt Kahlschlag und Stellenabbau!
An Politik und Arbeitgeber gerichtet forderte Ralf Reinstädtler „Zeigt Respekt gegenüber den Beschäftigten! Sucht intelligente Lösungen statt Kahlschlag und Stellenabbau!“. Reinstädtler begrüßte das von der künftigen Koalition in Aussicht gestellte 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur, sieht aber noch Konkretisierungsbedarf. „Wir brauchen dieses Geld für zusätzliche Investitionen, um Arbeitsplätze zu sichern und unsere Industrie und unser Land fit für die Zukunft zu machen.“

Reinstädtler warnte vor Investitionen und Subventionen mit der Gießkanne: „Wer Geld vom Staat erhält, muss sich an Bedingungen halten: Schluss mit dem Jobabbau, alle Arbeitsplätze bleiben in Deutschland – gut bezahlt mit Tarifvertrag und einer starken Mitbestimmung. Managementversagen ist durch Lohnverzicht nicht heilbar.“

Monatlich verliere die Industrie 10.000 Arbeitsplätze, in den energieintensiven Branchen stünden vier Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die IG Metall fordert dazu einen Strompreisdeckel für Industrie und Verbraucher. Die Politik müsse zudem endlich verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, damit Elektro-Mobilität Fahrt aufnehme: durch Kaufanreize wie sozial subventioniertem Leasing und eine ausgebaute Lade-Infrastruktur. Reinstädtler: „E-Autos dürfen keine Luxusgüter sein. Jeder Normalverdiener muss sich eines leisten können.“ Zudem müsse die Bundesregierung die Ansiedelung von Batteriezellfertigung in Deutschland unterstützen.

Auch zahlreiche Betriebsräte, unter ihnen Jens Ehrlichmann von Bosch Powertools in Sebnitz, forderten auf der Bühne in Leipzig eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung in Deutschland. „Dazu braucht es ein Programm für Betriebe in strukturschwachen Regionen und Investitionen in Schulen und Ausbildung“, so Ehrlichmann, der es nicht hinnehmen wird, dass „uns jetzt auch noch die Ausbildung versagt wird“.

Die Stimmung auf dem Augustusplatz in Leipzig war kämpferisch. Mit ihren erhobenen Händen schickten 81.000 Metallerinnen und Metaller eine Mega-Welle an alle Aktionsstandorte durch das ganze Land und an die politischen Parteien in Berlin. Zum Ende sorgte Gentleman, der deutsche Mr. Reggae, für einen musikalischen Abschluss in Leipzig.

Noch mehr Fotos aus Leipzig findet Ihr in der Bildergalerie auf der Bezirkshomepage.

Von: kk/ms

Unsere Social Media Kanäle