15.06.2025 | Eine Region steht hinter den Beschäftigten von Bosch Powertools Sebnitz. Laut und energisch haben sich Hunderte Menschen am 14. Juni auf dem Marktplatz der kleinen Stadt in Ostsachsen zur Kundgebung versammelt, um ein sichtbares Zeichen gegen die Schließungspläne des Konzerns zu setzen und diesen in die Verantwortung zu nehmen.
Der Marktplatz sieht rot an diesem Samstagmorgen. Nicht nur, weil IG Metall-rote Fahnen mit dem Motto dieses Kampfs , T-Shirts oder Käppis den Platz prägen, auch im übertragenen Sinne. Denn aus jeder Rede ist das Unverständnis zu hören, dass „Bosch sich aus der Produktion in Deutschland zurückziehen will“, wie Betriebsratsvorsitzender Jens Ehrlichmann dem MDR später auch noch ins Mikrofon sagt.
Die Folgen eines Rückzugs von Bosch aus der Region Ostsachsen sind fatal. „Es gibt keine adäquaten Arbeitsplätze weit und breit, keine Perspektiven für unsere Kolleginnen und Kollegen und keine Ausbildungsmöglichkeiten für industrielle Produktion hier in der Region“, beschreibt Jens Ehrlichmann die Situation. Die Konsequenzen solcher Unternehmenspolitik, die Margen vor Menschen setzt, sind fatal. Jens Ehrlichmann fasst sie in einem Satz zusammen: „Die jungen Familien werden uns über kurz oder lang verlassen.“ Zukunft sieht anders aus.
Auch Sebnitz‘ Oberbürgermeister Ronald Kretzschmar fürchtet um das Ausbluten einer ganzen Region. Er steht solidarisch an der Seite der Kolleginnen und Kollegen, verspricht ihnen, alles dranzusetzen, „so viel Beschäftigung wie möglich am Standort zu erhalten“. Wenn das mit Bosch nicht möglich ist, sagt er dem MDR, dann muss „Plan B“ greifen. Heißt: die Suche nach einem neuen Investor.
Am Standort hängen Schicksale und eine ganze Region!
So weit ist es noch nicht. Bei dieser Kundgebung unter strahlend blauem Himmel geht es darum, Bosch an seine Verantwortung zu erinnern, die das Unternehmen gegenüber seinen Beschäftigten hat. „Daraus entlassen wir diesen Arbeitgeber nicht“, sagt Axel Drescher, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Ostsachsen. „Genau deshalb sind wir heute hier, um Bosch vor Augen zu führen, was die Schließung des Werks bedeutet.“ Rund 280 Beschäftigte stehen vor dem Nichts. 280 Schicksale, die ein Gesicht haben. Und hinter ihnen stehen Hunderte weiterer Schicksale, denn diese 280 Menschen, die noch bei Bosch arbeiten, müssen ihre Familie ernähren. Ein Banner der IG Metall Ostsachsen und des Betriebsrat – quer über den Marktplatz gespannt – zeigt die Gesichter der unmittelbar Betroffenen.
Verheerende Konsequenzen für die Wirtschaft in der Region
Hinzu kommen die Menschen aus den Zulieferbetrieben, die durch ausbleibende Aufträge ebenfalls ihre Perspektive verlieren. Bäckereien und Lebensmittelbetreiber, denen die Kaufkraft all dieser Beschäftigten fehlt, weil sie der Region den Rücken kehren. Der Dominoeffekt ist unausweichlich. „Auch politisch ist das eine Katastrophe und kein gutes Signal eines Konzerns, der in der Region Ostsachsen noch vor kurzem seine Beschäftigten für die hohe fachliche Kompetenz gelobt hat, als das 75-millionste Werkzeug übers Band gerollt ist“, sagt Axel Drescher.
Große Solidarität
Die Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen ist groß. Nicht nur sie selbst, der Arbeitskreis für außerbetriebliche Gewerkschaftsarbeit (AGA) der IG Metall Ostsachen, Tarifsekretäre der IG Metall-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen oder Bürgerinnen und Bürger der Stadt unterstützen den Protest. Auch Vertrauensleute aus anderen Betrieben der Region sind nach Sebnitz gekommen, um Bosch in die Pflicht zu nehmen. Und auch Vertrauensleute aus anderen Bosch-Standorten – Hildesheim, Dresden, Eisenach oder Leinfelden – sind mit Delegationen in Sebnitz vor Ort. Sie alle fürchten, dass Sebnitz nur der Anfang ist, Bosch nur Gewinnmaximierung im Kopf hat, das Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ ein Auslaufprojekt ist, und es über kurz oder lang auch den anderen Standorten an den Kragen geht, weil es nur noch um Profitstreben geht. Das geht mit Standorten in Billigproduktionsländern besser. Weitsichtige und nachhaltige Unternehmenspolitik – im Sinne von Beschäftigten, Regionen und Umwelt sieht anders aus.
„Eine Region gerät ins Beben. Bosch Sebnitz muss leben!“ – Geschlossen demonstrieren die Teilnehmenden ihre Entschlossenheit: Der Kampf um Bosch Sebnitz geht weiter. Diese Kundgebung war nur ein starkes Zeichen Richtung Arbeitgeber. Weitere werden folgen.
Berichterstattung:
MDR Sachsen, 14. Juni: Proteste in Sebnitz gegen Schließpläne von Bosch