Tarifabschluss Metall und Elektro

IG Metall-Umfrage zur Umsetzung des Tarifergebnisses in der Metall- und Elektroindustrie: Großes Interesse an freien Tagen

15.11.2018 | Mehr Geld oder Zeit? 190.000 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie, die Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder in Schichten arbeiten, wollen im nächsten Jahr lieber acht zusätzliche freie Tage statt mehr Geld in Anspruch nehmen. Dies zeigen erste Ergebnisse einer aktuellen Befragung der IG Metall unter bundesweit 1.400 Unternehmen.

Beschäftigter der GKN Walterscheid mit Warnstreikweste beim Warnstreik am 09. Januar 2018 // Foto: IG Metall

Für den IG Metall Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen liegen rund 25.000 Anträge aus rund 100 Betrieben vor. In den Ländern Berlin, Brandenburg und Sachsen dominiert die Schichtarbeit, das bilden auch die Ergebnisse ab: Rund 22.000 Anträge wurden von in Schicht arbeitenden Kolleginnen und Kollegen gestellt.

„Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Beschäftigten die neu geschaffenen Möglichkeiten nutzen und wertschätzen“, sagte Olivier Höbel, IG Metall Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit ist ein Wunsch, der landauf und landab zu hören ist. In unserem Bezirk sind die Ergebnisse ganz klar. In Betrieben mit Schichtarbeit haben große Teile der Belegschaft die Anträge gestellt.“

Im BMW-Werk in Leipzig mit rund 5.200 Beschäftigten liegen 2.100 Anträge vor. „Ich gehe davon aus, dass diese Anträge auch genehmigt werden“, sagte Jens Köhler, Betriebsratsvorsitzender im BMW-Werk Leipzig. „Deutlich wird damit, dass die Kolleginnen und Kollegen zwischendurch Luftholen müssen und es ein deutlicher Fingerzeig ist, dass Arbeitszeit dauerhaft reduziert werden muss.“ Im Porsche-Werk Leipzig liegen derzeit 2.500 Anträge vor, davon mehr als 75 Prozent von Kolleginnen und Kollegen, die in Schichten arbeiten. Im Werk arbeiten derzeit rund 4.500 Beschäftigte.“

Die IG Metall hat im Frühjahr 2018 für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in einen zukunftsweisenden Tarifvertrag die Möglichkeit festgeschrieben, in besonderen Belastungssituationen zwischen einem tariflichen Zusatzgeld oder freien Tagen wählen zu können.

Laut der Umfrage wurden bundesweit bis zum Stichtag 31. Oktober 2018 die meisten Anträge auf acht freie Tage von Schichtarbeitern gestellt. Aber auch Beschäftigte, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, wollen von der Regelung im nächsten Jahr Gebrauch machen. Das hohe Interesse der Schichtarbeiter an zusätzlichen freien Tagen wundert uns nicht. Dies zeigt doch, wie sehr ihre Belastungen vor allem durch Mehrarbeit und Sonderschichten in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen dringend mehr zeitliche Freiräume – auch zum Erhalt ihrer Gesundheit. Flexibilität ist jetzt keine Einbahnstraße mehr!“, betonte Höbel.

Die Ergebnisse der Befragung zeigten aber auch, dass Erziehende und Pflegende die neuen Möglichkeiten zur Entlastung und besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Leben vielfältig nutzen. „Die Beschäftigten wollen mehr Flexibilität, um sich mehr ihren Kindern oder ihren pflegebedürftigen Angehörigen zu widmen. Endlich mehr Zeit für Familie – das haben wir mit diesem Tarifergebnis erreicht“, sagte der IG Metall Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen.

Arbeitgeber haben zahlreiche Möglichkeiten, die ausfallenden Arbeitszeiten auszugleichen, so Olivier Höbel. Nutzung von Arbeitszeitkonten, Qualifizierung und Förderung der Beschäftigten seien nur einige Möglichkeiten für eine vorausschauende Personalpolitik. „Wer heute gute Fachkräfte gewinnen will, muss Arbeitszeiten bieten, die zum Leben passen.“

Die im Tarifvertrag ebenfalls festgeschriebene Möglichkeit, die Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden zu verkürzen, beantragten laut Umfrage bundesweit rund 8.000 Beschäftigte. Nach ersten Ergebnissen aus dem Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen beantragten rund 600 Beschäftigte die Verkürzung.

Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen ergänzt: „In unseren Betrieben zeigt sich deutlich, dass die Beschäftigten lieber mehr Freizeit statt Geld nehmen, wenn sie die Wahl haben. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben spielt eine immer größere Rolle. Mit dem Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie haben wir an der Stelle einen entscheidenden Schritt geschafft. Klar ist aber auch, dass wir diesen Abschluss nur erreichen konnten, weil wir starke und kämpferische IG Metall Belegschaften haben. Wenn diese Stärke in Zukunft weiter wächst, steht uns der Weg zu einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit offen – selbstverständlich auch in Ostsachsen.“

Hintergrund:

Die regionalen Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie vom Februar 2018 schreiben fest, dass Beschäftigte die Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder langjährig in Schicht arbeiten, die Möglichkeit haben, einen Teil des neuen tariflichen Zusatzgeldes (T-Zug) in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsentgelts ab 1.1.2019 in acht freie Tage umzuwandeln. Die Anträge für die zusätzlichen freien Tage für das Jahr 2019 mussten bis 31.10.2018 beim Arbeitgeber eingereicht werden.

Der Tarifvertrag sichert zudem allen Beschäftigten einen Anspruch auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für bis zu zwei Jahre. Danach haben sie das Recht, zu ihrer ursprünglichen Arbeitszeit zurückzukehren. Die verkürzte Vollzeit können Beschäftigte zu jedem Quartalsbeginn beantragen, mit einem halben Jahr Vorlauf.

Von: em

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