08.06.2019 | Am Donnerstag stellte der IG Metall Vorstand in Frankfurt die Ergebnisse des Transformationsatlas vor. Er ist eine Bestandsaufnahme zur Digitalisierung und zum ökologischen Wandel auf Basis eines Fragenkatalogs, den Betriebsräte und Vertrauensleute in knapp 2.000 Betrieben bearbeitet haben. Mit ihm ergibt sich ein Bild wie Unternehmen den Herausforderungen der Transformation begegnen, welche Strategien sie haben und welche Entwicklung sie vornehmen. In Ostsachsen beschäftigt man sich schon seit längerer Zeit damit, die Region zeichnet ein eigenes Bild.
Viele Unternehmen im Organisationsbereich der IG Metall sind auf den digitalen und ökologischen Wandel nicht vorbereitet. „Knapp die Hälfte der Betriebe haben keine oder keine ausreichende Strategie zur Bewältigung der Transformation. Betriebe und Beschäftigte müssen sich auf neue Qualifikationen und zum Teil auch neue Geschäftsmodelle einstellen. Die dazu notwendige Fähigkeit zur Veränderung ist allerdings erst in Ansätzen bemerkbar. Wenn sich die Unternehmen weiterhin so defensiv verhalten, spielen sie Roulette mit der Zukunft der Beschäftigten“, sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, am Mittwoch in Frankfurt bei der Vorstellung des Transformationsatlas der Gewerkschaft.
Der Transformationsatlas ist eine Bestandsaufnahme zur Digitalisierung und zum ökologischen Wandel auf der Basis von Daten aus knapp 2.000 Betrieben mit rund 1,7 Millionen Beschäftigten. Aus den Angaben der Betriebsräte und Vertrauensleute, die den umfangreichen Fragenkatalog bearbeitet haben, ergibt sich ein Bild vom Stand der Digitalisierung, der Strategie und Unternehmensentwicklung, der Beschäftigungsstruktur, der Personalentwicklung und Qualifizierung sowie über die Mitbestimmung und die Einbeziehung der Beschäftigten. Der Atlas ist die Datengrundlage für die Strategie der IG Metall zur Gestaltung der Transformation.
Von der Digitalisierung wird vor allem die Arbeit in der Fertigung und Montage, in der Verwaltung und Logistik sowie in der Technischen Kundenbetreuung massiv betroffen sein. Die dortigen Arbeitsplätze enthalten große Anteile an Tätigkeiten, deren Profil sich verändern wird oder die teilweise entfallen könnten. 57 Prozent der Beschäftigten in den beteiligten Betrieben üben Tätigkeiten mit einem hohen Potential für eine Substituierung aus.
Besonders die Automobil- und die Zulieferindustrie wird durch den Technologiewandel stark verändert: In 54 Prozent der Betriebe in dieser Branche wird damit gerechnet, dass die Zahl der Arbeitsplätze sinken wird. „Vor allem für Zulieferer kann die Transformation existenzgefährdend werden, wenn sie nur über wenig Kapital und keine tragfähigen neuen Geschäftsmodelle verfügen“, sagte Hofmann.
Angesichts dieser Ergebnisse fordert der Gewerkschafter von den Arbeitgebern, Vorsorge zu treffen und die Betriebe auf die Transformation einzustellen. „Die Unternehmen müssen die anstehenden Veränderungen offensiv angehen. Dazu gehören Investitionen in neue Produkte, Prozesse und in neue Geschäftsmodelle. Nötig ist auch eine vorausschauende Personalplanung und betriebliche Qualifizierung, um sicherzustellen, dass die Betriebe den Wandel bewältigen können“, sagte Hofmann. Berufliche Weiterbildung darf sich nicht mehr auf Spezialisten und Führungskräfte beschränken, alle Beschäftigtengruppen müssen die Chance bekommen, sich zu qualifizieren.
Hofmann: „Dieser Wandel kann nur zusammen mit den Beschäftigten gelingen. Der Betriebsrat braucht deshalb mehr Mitbestimmungsrechte bei der betrieblichen Weiterbildung, der Personalplanung und bei strategischen Fragen.“
Auch die Politik ist bei der digitalen und ökologischen Transformation in der Verantwortung. Viele Betriebe fahren auch deshalb auf Sicht, weil über die Rahmenbedingungen der Energie- und Mobilitätswende weiter Unklarheit besteht. Dazu gehören auch notwendige Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur.
Für Regionen, die vom Strukturwandel besonders betroffen sind, weil sie zum Beispiel stark von der Automobilindustrie abhängen, müssen Strukturfonds aufgelegt werden, um die Veränderungen abzufedern.
Dringend erforderlich ist auch ein Transformationskurzarbeitergeld. Wenn durch den Strukturwandel Arbeitsvolumen wegbricht, können die Beschäftigten mit diesem neuen arbeitsmarktpolitischen Instrument in einem Betrieb gehalten und zugleich für die Arbeit an neuen Produkten geschult werden. Hofmann: „Wir brauchen das Transformationskurzarbeitergeld als Beschäftigungsbrücke, wenn Entlassungen vermieden werden sollen.“
„Für Ostsachsen gilt, dass unsere größte Herausforderung das aktive Gestalten der Energiewende darstellt. Wir haben wenig mit dem Verbrennermotor zu tun, sondern sind bereits heute breit aufgestellt und in der „neuen Welt“ angekommen. Ob es die Herstellung von Schuhen bei Birkenstock ist, der Bau von Schienenfahrzeugen, die Produktion der Batterien für die E-Mobilität, oder die Breite der textilen und holzverarbeitenden Branche. Bereits jetzt sind wir in vielen Bereichen mitten drin in der Transformation. Wollen wir die Energiewende in Ostsachsen erfolgreich gestalten, so heißt dies für uns, die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern und in erster Linie weiter massiv zu erschließen, Betriebsräte zu gründen und Tarifverträge zu installieren. Wichtig ist aber auch, eine progressive Industriepolitik zu betreiben und die Gänze der Wertschöpfungsketten, zum Beispiel im Bereich der Batteriefertigung oder der Wasserstoffproduktion zu denken und für weitere Ansiedelungen zu sorgen. Ostsachsen ist Zukunft – aber nur mit einer erfolgreichen IG Metall, die sich auf allen politischen Ebenen einmischt mit der Kraft Ihrer Mitglieder“ sagte Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen.