Siemens und Bombardier

Eine ganze Region kämpft für ihre Zukunft

23.01.2018 | Über 7000 Menschen folgten dem Aufruf der IG Metall Ostsachsen und beteiligten sich an der größten Demonstration in Görlitz seit 1990.

Demonstration der IG Metall Ostsachsen “Traditionen bewahren, Arbeitsplätze sichern, Zukunft gestalten“ gemeinsam mit den Beschäftigten von Siemens und Bombardier in Görlitz, Kundgebung am 19.01.2018 in Görlitz (Sachsen). Foto: Pawel Sosnowski

Die Zukunft für die beiden Görlitzer Großbetriebe von Bombardier und Siemens ist noch immer unklar. Das war Anlass für die Beschäftigten und eine Vielzahl von Unterstützern und Unterstützerinnen aus der Görlitzer Zivilgesellschaft, wieder einmal auf die Straße zu gehen. Es war nicht die erste Demonstration im Kampf um die rund 3000 Industriearbeitsplätze an beiden Standorten, doch es war die bisher größte.

Insgesamt über 7000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich unter dem Motto «Traditionen bewahren, Arbeitsplätze sichern, Zukunft gestalten« am Nachmittag auf dem Görlitzer Obermarkt ein. Unter ihnen waren unzählige Schülerinnen und Schüler, von der Grundschule bis zum Gymnasium. Aber auch viele Ladenbesitzerinnen und Ladenbesitzer, Gewerbetreibende, Beschäftigte aus Zulieferbetrieben der beiden Unternehmen sowie Görlitzer Behörden sowie Vertreter und Vertreterinnen der Politik und der Kirchen waren mit dabei und zeigten Gesicht für die Zukunft der Region.

Als Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen, die Kundgebung auf dem Obermarkt eröffnet, spricht er klare Worte: "Ihr zeigt, dass wir solidarisch zusammenstehen und Ostsachsen Zukunft hat. Die Abbaupläne der Konzerne gehen uns alle an, aber wir werden diese Region auf keinen Fall und gegen niemanden aufgeben. Ich habe wenige Tage vor der Demonstration mit dem Kanzleramt telefoniert. Die Bundeskanzlerin hat ihre Unterstützung zugesagt. Sie hat verstanden, dass diese Region eine Zukunftschance braucht, und sie wird mit den Unternehmensvorständen nach konstruktiven Lösungen suchen." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde bereits im Dezember für den 19. Januar eingeladen. Ihre persönliche Teilnahme konnte sie jedoch nicht einrichten.

In der ersten Reihe der Demonstration läuft auch der stellvertretende Ministerpräsident Sachsens, Martin Dulig (SPD). Seine Rede auf der Abschlusskundgebung enthält einen deutlichen Appell an die Vorstände von Siemens und Bombardier: "Schaut in die Gesichter der jungen Auszubildenden. Sie wollen hier eine Perspektive haben. Schaut in die Gesichter der erfahrenen Kollegen. Auf ihre Kompetenz könnt ihr nicht verzichten. Nehmen Sie die gestreckte Hand, um nach Lösungen zu suchen."

Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und hauptverantwortlich für das Projekt Zukunft Ost, betont, dass die Veranstaltung in Görlitz ein "starkes Signal an die beiden Konzerne" sei. Für ihn ist es selbstverständlich, die Kolleginnen und Kollegen in Ostsachsen in ihrem Kampf zu unterstützen.

"Es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und Bombardier einen Warnschuss zu verpassen", sagt René Straube, Betriebsratsvorsitzender von Bombardier Görlitz. Ronny Zieschank, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats bei Siemens, wird ähnlich deutlich in seiner Rede: "Wir kämpfen für unsere Arbeitsplätze, wir kämpfen für den Erhalt unseres Standortes. Selbstverständlich sind wir heute alle hier draußen auf der Straße."

Jede Rednerin und jeder Redner hatte an diesem Nachmittag einen oder mehrere Paten aus verschiedenen Schulen der Stadt, die ebenfalls zu Wort kamen, um ihre Wünsche an die Konzerne und die Politik zu formulieren. Erik von der Melanchthonschule erzählt von seinem Vater, der seit mehr als 30 Jahren bei Siemens arbeitet: "Jetzt haben wir Angst, die Stadt verlassen zu müssen, aber wir wollen in Görlitz bleiben. Dafür stehen wir heute hier."

Nach den vielen Stunden und Tagen der Vorbereitung wird diese Großdemonstration wohl allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben. Spätestens jetzt wird auch außerhalb Ostsachsens klar, dass die Kolleginnen und Kollegen um ihre Arbeitsplätze kämpfen – und sie stehen damit nicht allein, denn eine ganze Region unterstützt sie.

Jan Otto zieht nach der Kundgebung folgendes Fazit: "Die IG Metall Ostsachsen wächst seit zwei Jahren überproportional, weil wir eine optimistische, positive und konstruktive Kraft sind, die Lösungen anbietet – egal, ob bei der Wahl von Betriebsräten oder dem Erkämpfen von Tarifverträgen für mehr Lohn oder für die Abwehr von Werksschließungen auch mit cleveren Alternativkonzepten in Zusammenarbeit mit der Belegschaft gekämpft wird. Die Grundstimmung ist die: Ostsachsen ist die Zukunft, und wir wollen sie als IG Metall gemeinsam mit den Beschäftigten gestalten. Das soll die ganze Bundesrepublik wissen!"

Von: ps

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