21.03.2024 | Die IG Metall-Mitglieder der sächsischen Alstom-Standorte in Bautzen und Görlitz haben gemeinsam mit den weiteren vom Geltungsbereich des Zukunftstarifvertrags erfassten Standorten in Deutschland beschlossen, diesen Zukunftstarifvertrag zu kündigen. Sie folgten damit in der vergangenen Woche der Empfehlung der IG Metall und des Gesamtbetriebsrats, über die Fortführung des Zukunftstarifvertrages zu entscheiden. Der Zukunftstarifvertrag war erst im vergangenen Jahr nach langwierigen Verhandlungen zwischen IG Metall, Gesamtbetriebsrat und Alstom abgeschlossen worden.
„Der Zukunftstarifvertrag gilt seit mehr als einem Dreivierteljahr“, sagt Uwe Garbe, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostsachsen. „Allerdings ist nicht erkennbar, dass Alstom sich an die Vereinbarungen halten wird. Bis heute gibt es keine belastbaren Aussagen des Managements, wie die Verhandlungsergebnisse umgesetzt werden sollen. Im Gegenteil: Alstom hat weitere Entlassungen angekündigt, die auch die deutschen Standorte treffen würden.“ Die IG Metall wird nun nach anderen Möglichkeiten suchen, Standorte und Beschäftigung zu sichern. „Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, kündigt Uwe Garbe an.
Mitgliederversammlungen mit eindeutigem Votum
Die IG Metall hatte in der vergangenen Woche an allen Standorten Mitgliederversammlungen durchgeführt, um mit ihren Mitgliedern über eine Kündigung des Zukunftstarifvertrags zu beraten. Die anschließenden Abstimmungen darüber fielen eindeutig aus. Über alle Standorte hinweg sprachen sich 88,1 Prozent für eine Kündigung aus. Im April wird es voraussichtlich noch einen Einigungsstellentermin geben, den IG Metall und Gesamtbetriebsrat vor einer Kündigung wahrnehmen müssen. Ob diese umgesetzt wird, hängt wesentlich davon ab, ob es bei diesem Termin klar fixierte Zusagen von Alstom geben wird. Bleiben solche greifbaren Ergebnisse aus, „gibt es keine Basis für eine Weiterführung des Tarifvertrags“, beschreibt Uwe Garbe die Situation. „Sollte es jedoch substanzielle Ergebnisse geben, werden wir diese genau prüfen und dann entscheiden, wie es weitergeht.“
Zukunftstarifvertrag nur einseitig erfüllt
Ziel des Zukunftstarifvertrags war die langfristige Sicherung der deutschen Alstom-Standorte und der Arbeitsplätze. Er sieht für die Laufzeit von drei Jahren eine Beschäftigungssicherung vor. Alstom hatte sich verpflichtet, Standortspezialisierungen und Investitionen vorzunehmen und zwei Prozent des Deutschland-Umsatzes in die deutschen Standorte zu investieren, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Die Alstom-Beschäftigten ihrerseits hatten sich bereit erklärt, ebenfalls einen Anteil zur Standortgarantie und zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze zu leisten. Ihre finanziellen Zugeständnisse belaufen sich auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr, den sie durch tarifliche Sonderzahlungen und freiwillige Leistungen des Arbeitgebers erbringen. Bei Erreichung erfolgsbezogener Kennzahlen sollten die zuvor einbehaltenen tariflichen Sonderzahlungen im Folgejahr an die Beschäftigten zurückgezahlt werden.
„Von diesen Vereinbarungen sind wir meilenweit entfernt. Bislang gehen nur die Kolleginnen und Kollegen einseitig in Vorleistung und müssen sich dennoch um ihre Arbeitsplätze sorgen“, sagt Uwe Garbe. „Dass Alstom sich um Standortspezialisierungen bemüht und Beschäftigung sichert, ist nicht zu erkennen. Insbesondere der Standort Görlitz ist derzeit stark in der Unterauslastung.“
Hintergrund:
Alstom hatte in Deutschland Ende 2021 eine Restrukturierung angestoßen, um die deutschen Alstom-Standorte wettbewerbsfähiger aufzustellen. Der nun abgeschlossene Zukunftstarifvertrag ist das Ergebnis eines Einigungsprozesses, der im Dezember 2021 mit Verhandlungen zwischen Management sowie Betriebsrat und IG Metall begonnen hatte. Ende März hatten sich die Verhandlungsparteien geeinigt, nachdem die Mitglieder zugestimmt hatten, war der Zukunftstarifvertrag Mitte 2023 in Kraft getreten.