Vertrauensleutewahlen 2024

„Wir Vertrauensleute tragen zu einem positiven Arbeitsumfeld bei“

26.04.2024 | Aktive Vertrauensleute sind bei Siemens Energy in Görlitz noch ein ganz frisches Projekt. Im April haben die IG Metall-Mitglieder erstmals ihre gewerkschaftlichen Vertreterinnen und Vertreter gewählt. Einer von ihnen ist Ronald Thiel, Initiator und Motor bei der Installierung eines Vertrauenskörpers bei Siemens Energy. Im Interview erzählt er, wie es dazu kam und warum ihm die Umsetzung des Projekts so wichtig war.

Ronald Thiel ist Vertrauensmann bei Siemens Energy in Görlitz. Dort haben die IG Metall-Mitglieder im April erstmals Vertrauensleute gewählt. Foto: Jasper Kortmann

Aktiv haben die Vertrauensleute bei Siemens Energy für die Bildungszeitkampagne geworben. Mit vollem Erfolg: 269 Kolleginnen und Kollegen haben den Volksantrag unterschrieben. Foto: IG Metall

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl, Ronald. Bei Siemens Energy gibt es seit diesem Monat Vertrauensleute. Wie kam es dazu?
Ronald: Der Gedanke beschäftigt mich schon eine ganze Weile, im Grund sogar schon jahrelang. Die Idee kam mir schon 2016 bei einem Seminar, in dem es unter anderem um Organisierung von Belegschaften ging. Dabei ist mir klar geworden, dass es wichtig ist, neben einem gut organisierten Betriebsrat auch aktive Vertrauensleute zu haben.

2016? Seitdem ist aber schon ziemlich viel Zeit ins Land gegangen …
Ronald:
Ja, was vor allem damit zusammenhängt, dass wir in der Zwischenzeit bei Siemens Energy am Standort Görlitz ganz andere Probleme hatten. Infolge der Restrukturierungswellen, die unser Unternehmen geplant hatte, war zunächst der gesamte Standort in Frage gestellt, dann gab es Stellenabbaupläne. Klar wäre es da schon gut gewesen, wenn wir Vertrauensleute gehabt hätten, sie aber in dieser Zeit zu installieren, war schwierig, weil wir all unsere Ressourcen für den Kampf um den Standort gebraucht haben.

Jetzt habt Ihr gewählt.
Ronald:
Genau, nachdem ich bei der letzten Betriebsratswahl nur noch auf einem Nachrückerplatz gelandet bin, hatte ich Kapazitäten, das Vertrauensleuteprojekt wieder anzustoßen und voranzutreiben. Inzwischen haben wir zu den Betriebsratskolleginnen und -kollegen zehn Vertrauensleute gewählt, die nicht im Betriebsrat sind. Es war uns wichtig, dass wir Vertrauensmänner und -frauen wählen, die kein Betriebsratsmandat haben.

Warum?
Ronald:
Aus zwei Gründen. Einmal, um den Betriebsrat zu entlasten. Und zum anderen, weil Betriebsrat und Vertrauensleute ja per Gesetz ganz andere Aufgaben und Befugnisse haben. Nur Betriebsräte können zum Beispiel Betriebsvereinbarungen verhandeln. Dagegen dürfen nur Vertrauensleute für Warnstreiks und Aktionen mobilisieren. Denn Vertrauensleute sind nicht nur das Gesicht der IG Metall im Betrieb, wir Vertrauensleute sind die IG Metall im Betrieb. Wir Vertrauensleute können den Betriebsrat unterstützen, Informationen weiterleiten, die uns aus der Belegschaft zugetragen werden. Wir sind also sozusagen das Bindeglied zwischen Beschäftigten, Betriebsrat und hauptamtlichen Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretären. Mit unserer Vertrauensleutewahl ist die Kette jetzt also um ein wichtiges Glied ergänzt worden.

Welche Eigenschaften sollten Vertrauensleute idealerweise mitbringen?
Ronald:
Soziales Empfinden und kommunikative Fähigkeiten. Sie sollten gut zuhören können und – wie es der Name schon sagt – das Vertrauen ihrer Kolleginnen und Kollegen genießen. Denn nur dann funktioniert das. Wenn ich Vertrauen genieße, ziehen sie mich auch ins Vertrauen und erzählen mir, welche Probleme sie haben und wo der Schuh drückt. Das habe ich, kaum dass ich gewählt war, sogar schon einmal erlebt, als ich in meiner noch neuen Rolle als Vertrauensmann angesprochen wurde. Manchmal kann es schon helfen, einfach jemanden zu haben, der verständnisvoll zuhört und Empathie zeigt. Als Vertrauensleute tragen wir dazu bei, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen. Wir sind für die Kolleginnen und Kollegen da, um zuzuhören, Unterstützung zu bieten und Probleme zu besprechen. Und dann gibt es wohl auch Fälle, in denen wir ganz konkret bei der Suche nach Problemlösungen helfen sollen. So oder so, in jedem Fall ist es gut, dass wir nah dran sind und die Kolleginnen und Kollegen ihre Ansprechpartner in den Abteilungen haben. Uns anzusprechen, die wir jeden Tag zusammenarbeiten, ist für manch einen oder eine eine kleinere Hürde, als zum Betriebsrat zu rennen.

Welche Projekte habt Ihr vor?
Ronald: Wir waren sogar schon aktiv und haben die Umfrage zur Tarifbewegung 2024 durchgeführt. Ein großer Erfolg war auch unsere Unterschriftensammelaktion für die laufende Bildungszeitkampagne in Sachsen.

Erzähl mal.
Ronald:
Wir haben uns in der Nähe des Parkplatzes vor dem Werk postiert, sind dort mit den Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch gekommen und haben für die Bildungszeitkampagne „5 Tage Bildungszeit für Sachsen“ geworben. Wie gesagt, mit großem Erfolg. 269 Kolleginnen und Kollegen haben den Antrag unterschrieben. Bei der konstituierenden Delegiertenversammlung der IG Metall Ostsachsen vergangene Woche haben wir einen imposanten Stapel an Unterschriften an die DGB-Regionsgeschäftsführerin Dana Dubil übergeben.

Das hört sich nach einem rasanten und gelungenen Einstieg in die Vertrauensleutearbeit bei Siemens Energy in Görlitz an …
Ronald:
… ja, definitiv. Weitere Projekte folgen garantiert. Welche das sein werden, kristallisiert sich dann im Laufe der Zeit heraus. Auf jeden Fall ist es in Zeiten wie diesen gut, dass wir als IG Metall durch uns Vertrauensleute noch sichtbarer im Betrieb geworden sind. 

Zur Person:
Ronald Thiel (47) hat 1993 seine Ausbildung zum Industriemechaniker begonnen, anschließend in der Montage gearbeitet und ist seit 2019 im Einkauf bei Siemens Energy in Görlitz tätig. Seit 2005 ist er IG Metall-Mitglied, aus gutem Grund: „Nur eine starke Gemeinschaft wie die IG Metall kann gute Arbeitsbedingungen durchsetzen. Mit IG Metall-Tarifverträgen gibt es mehr Urlaub und mehr Geld.“ Soziales Engagement und Kommunikation sind Ronald seit jeher wichtig, schon in der Schule und in der Ausbildung hat er sich für den Zusammenhalt und das Miteinander der jeweiligen Gruppe engagiert. 2018 bis 2022 war er Betriebsrat, seit der letzten Wahl ist er als Nachrücker häufig bei Betriebssitzungen dabei.

 

 

Von: kk

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