Tarifrunde Textil Ost

Textil Ost: Blockadehaltung der Arbeitgeber in der zweiten Verhandlungsrunde

23.05.2024 | Auch die zweite Verhandlungsrunde für die rund 12.000 Beschäftigten der ostdeutschen Textilindustrie endete ohne Ergebnis. An den Kolleginnen und Kollegen lag das nicht. Mit einem roten Bus waren 60 Ontex-Beschäftigte aus Großpostwitz am 22. Mai zum Verhandlungslokal in Meerane gereist, um den Arbeitgebern zu zeigen: Wir stehen geschlossen hinter den Forderungen unserer IG Metall.

Sorgten für mächtig Druck: Die Ontex-Beschäftigten aus Großpostwitz, die eigens zur zweiten Verhandlung nach Meerane gefahren waren, um zu demonstrieren, dass sie geschlossen hinter ihren Forderungen stehen. Fotos: Igor Pastierovic

Mit Trillerpfeifen, Ratschen, Bannern und roten IG Metall-Fahnen demonstrierten die Ontex-Kolleginnen und -Kollegen gemeinsam mit Krzysztof Iwanowski (Mitte mit Fahne), Gewerkschaftssekretär der IG Metall Ostsachsen, für ihre Forderungen.

Kai Hölzel, Betriebsratsvorsitzender von Ontex und Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission Textil Ost, bedankte sich bei seinen Kolleginnen und Kollegen für ihren Einsatz und die großartige Unterstützung.

Rote Schutzhauben, wie sie Krzysztof Iwanowski und Kai Hölzel tragen, waren am Tag vor der Verhandlung bei Ontex weit verbreitet: Die Beschäftigten signalisierten damit ihrem Arbeitgeber, dass sie bereit sind, für mehr Geld zu kämpfen. Foto: IG Metall

„Was denken sich die Arbeitgeber, uns so ein mageres Angebot zu unterbreiten?“ Krzysztof Iwanowski, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Ostsachsen und Mitglied der Tarifkommission, stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. „Eine solche Blockhadehaltung geht gar nicht“, sagt er und ergänzt: „Wir lassen uns nicht mit Magerkost abspeisen. Wir haben alle Argumente auf den Tisch gelegt. Wenn das nicht reicht, müssen Taten folgen. Wir, die IG Metall und unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, sind zur Eskalation bereit.“

Aktionen bei Ontex am Vortag der Verhandlung
Das haben die Ontex-Beschäftigten in dieser Woche bereits zweimal demonstriert. Am Tag vor der Verhandlung haben sie ihre Betriebskantine in rot gehüllt und auch bei der Arbeit Farbe bekannt. Ihre Schutzhauben, die sie bei der Produktion der Hygieneartikel tragen, waren an diesem Tag durchgängig rot. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass sie geschlossen hinter ihren Forderungen nach mehr Geld in finanziell schwierigen Zeiten stehen. „Die gestiegenen Kosten für Lebensmittel und Energie machen schließlich auch vor unseren Kolleginnen und Kollegen in den textilen Branchen nicht halt“, sagt Krzysztof Iwanowski.

Im roten Bus von Großpostwitz nach Meerane
Den zweiten Nachweis, wie ernst es den Ontex-Beschäftigten ist, lieferten sie am Verhandlungstag gemeinsam mit rund 40 Kolleginnen und Kollegen aus anderen Betrieben. Mit einem eigens gecharterten roten Reisebus hatten sich die Ontex-Beschäftigten aus Großpostwitz auf den Weg ins 170 Kilometer entfernte Meerane zum Verhandlungslokal gemacht. Etliche Kolleginnen und Kollegen hatten da bereits eine Frühschicht in den Knochen. Bei ihrem Marsch durch die Stadt zum Verhandlungslokal sorgten sie für eindrucksvolle Bilder und viel Lärm – mit Bannern, Plakaten, roten IG Metall-Fahnen, Trillerpfeifen, Tröten und Ratschen bekräftigten sie, dass sie geschlossen und entschlossen hinter den Forderungen in der laufenden Tarifrunde stehen und das Motto „Wir kämpfen für mehr“ nicht bloß auf dem Papier steht.

Am Verhandlungstisch war dagegen am 22. Mai keinerlei Bewegung zu spüren. Der Arbeitgeberverband vti hatte zur zweiten Verhandlung in Meerane kein maßgeblich verbessertes Angebot im Gepäck. Am Ende verließen die Arbeitgeber das Verhandlungslokal, ohne den Beschäftigten stabile Realllöhne und eine Angleichung Ost an West anzubieten. Auch bei der für die Kolleginnen und Kollegen so wichtigen Frage der Altersteilzeit gab es keine Einigung.

Forderungen der IG Metall
Die IG Metall fordert gemeinsam mit den Beschäftigten eine Entgelterhöhung von 8,5 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten und eine überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütung, eine Inflationsausgleichsprämie als soziale Komponente sowie eine Erhöhung der Jahressonderzahlung auf das West-Niveau von 100 Prozent.  Außerdem sieht die Forderung vor, den Tarifvertrag zur Förderung einer demografischen Altersteilzeit zu verlängern. 

Mickriges Angebot der Arbeitgeber
In der ersten Verhandlung hatte der vti ein mickriges Angebot unterbreitet, mit dem die Löhne trotz der stark gestiegenen Preise und massiven Reallohnverluste für 2024 lediglich um 3 Prozent steigen würden. Für den Rest der Laufzeit von 24 Monaten sieht das nur zwei kleinere Erhöhungen um 3,3 Prozent und 1,5 Prozent vor. Darauf hatte und hat die IG Metall nur eine Antwort: Nein. In Meerane zogen sich die Arbeitgeber nach dieser klaren Ansage für interne Beratungen zurück. Mehr legten sie jedoch auch danach nicht auf den Tisch. Sie verließen den Verhandlungsort ohne Aufstockung ihres Angebots.

„Die zweite Verhandlung war ein reiner Verschiebebahnhof ohne Verbesserung für die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb“, sagt Stefanie Haberkern, Verhandlungsführerin der IG Metall und Tarifsekretärin im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Sie brauchen und erwarten eine deutliche Lohnsteigerung, die in Zeiten stark gestiegener Preise mindestens ihre Kaufkraft stabilisiert.“

Die Friedenspflicht endet – Beschäftigte sind bereit „für mehr“
Die nächste Verhandlungsrunde findet am 7. Juni in Meerane statt. Die Friedenspflicht endet am 1. Juni. Danach sind Warnstreiks möglich. Dass die Ontex-Beschäftigten dazu bereit sind, haben sie seit ihrem Tarifauftakt im April mehrfach unter Beweis gestellt.

Von: kk

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